Erbschaft- und Schenkungsteuer: Geschlechtsspezifische Sterbetafeln verstoßen nicht gegen das Diskriminierungsverbot
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Im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht kommen sog. geschlechtsspezifische Sterbetafeln zum Einsatz, in denen die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen eingearbeitet ist. Die Tafeln dienen dazu, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen zu ermitteln. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat kürzlich entschieden, dass die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot verstößt.
In den zugrunde liegenden Fällen hatten die Kläger mit ihrem Vater im Jahr 2014 notariell beurkundete Verträge zur vorweggenommenen Erbfolge geschlossen, mit denen der Vater ihnen Anteile an einer GmbH unentgeltlich übertragen hatte. Der Vater behielt sich den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an den übertragenen Anteilen vor und verpflichtete sich, während der Dauer des Nießbrauchs sämtliche mit den Anteilen verbundenen Lasten zu tragen.
Bei der Festsetzung der Schenkungsteuer brachte das Finanzamt von dem Wert der Anteile den Kapitalwert des Nießbrauchsrechts des Vaters in Abzug, da der Nießbrauch die Bereicherung und die Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer minderte. Den Kapitalwert ermittelte es durch Multiplikation des Jahreswerts des Nießbrauchs mit dem sich aufgrund der voraussichtlichen Lebenserwartung des Vaters ergebenden Vervielfältiger. Letzterer ergab sich aus der aktuellen Sterbetafel für Männer.
Die Söhne machten geltend, dass die Ermittlung des Kapitalwerts lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen anhand unterschiedlicher Vervielfältiger für Männer und Frauen gegen das Diskriminierungsverbot verstoße. Der BFH erklärte jedoch, dass geschlechtsspezifische Sterbetafeln dem legitimen Ziel dienen würden, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit zutreffenden Werten zu erfassen und eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Da die statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen ausweislich der amtlichen Sterbetafeln unterschiedlich hoch ist, ermöglicht die Verwendung der geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vervielfältiger genauere und realitätsgerechtere Bewertungsergebnisse als die Verwendung geschlechtsneutraler Vervielfältiger. Die Anwendung der geschlechtsspezifischen Sterbetafeln kann sich für den Steuerzahler je nach Fallkonstellation günstiger oder ungünstiger auswirken und führt nicht in jedem Fall zu einer Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts.
Hinweis: Die Rechtsprechung des BFH erging zur Rechtslage im Jahr 2014. Der BFH hatte nicht darüber zu entscheiden, welche Auswirkungen sich aus dem am 01.11.2024 in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen ergeben.
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zum Thema: | Erbschaft-/Schenkungsteuer |
(aus: Ausgabe 07/2025)
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