Verfahrensdokumentation im Überblick
Verfahrensdokumentation allgemein
Rechtsgrundlage: Der Begriff Verfahrensdokumentation steht nicht im Gesetz, Pflicht zur Erstellung kann nur hergeleitet werden
Das Ziel der Verfahrensdokumentation ist die Nachprüfbarkeit = Grundaufzeichnungen von Geschäftsvorfällen müssen unveränderbar sein, dieses muss dokumentiert und nachvollziehbar sein = das Verfahren „vom Beleg zur Buchung“ und „von der Buchung zum Beleg“ muss nachvollziehbar dokumentiert sein. Schnittstellen, Barrieren müssen in die Dokumentation aufgenommen werden, es muss die Unveränderbarkeit der Grundaufzeichnungen dokumentiert sein.
Vorlage im Rahmen der Betriebsprüfung: Prüfer werden nach Verfahrensdokumentation fragen, spätestens ab VZ 2017
Sanktion: Die Nichtvorlage wird im Rahmen der Beurteilung des Gesamtbildes des Einzelfalles negativ bewertet. Kommen weitere Mankos in der Buchführung dazu, wird diese eher verworfen, als wenn die Verfahrensdokumentation vorgelegt werden kann
Skalierung: Es gibt keine größenabhängigen Erleichterungen für kleine Unternehmen, trotzdem muss skaliert gedacht werden, denn es kommt auf die Struktur des individuellen Unternehmens an. Es gilt der Grundsatz: je einfacher das Unternehmen aufgebaut ist, desto einfacher wird die Dokumentation ausfallen.
Finanzverwaltung will nicht Übernahme von Musterdokumentationen, sondern individuelle Beschreibung der tatsächlichen Prozesse im Unternehmen
Verfahrensdokumentationen knüpfen an Datenverarbeitungs-Systemen an, je komplexer diese sind, desto mehr muss dokumentiert werden
Je mehr technische Systeme zum Einsatz kommen, je mehr muss dokumentiert werden, damit sich auch ein bezüglich Buchhaltung sachverständiger Dritter ohne Kenntnisse hinsichtlich des individuell angewandten Datenverarbeitungssystems in angemessener Zeit einen Überblick über die Buchhaltung und die Geschäftsabläufe verschaffen kann
Buchhaltung ist arbeitsteilig aufgebaut. Mandant hat Anteil, Steuerberater hat Anteil => d.h. beide müssen Verfahrensdokumentationen für die jeweilige Arbeit vorhalten
Auftrag Steuerberater zu Erstellung ordnungsgemäßer Buchhaltung ohne Abgrenzung hat vorgelagerte Systeme mit im Paket, was tatsächlich nicht realisierbar ist
Wer macht was => Abgrenzung ist deswegen nötig, Vertrag muss her, der genau festlegt, was in der Verantwortung des Mandanten und was in der Verantwortung des Steuerberaters steht
Verantwortlichkeit für Grundaufzeichnungen (Kassen-Systeme, Warenwirtschaft, Fakturierung, Vollständigkeit der Belegsammlung) muss beim Mandanten liegen
Bestandteile der Verfahrensdokumentation:
allgemeine Beschreibung des Unternehmens (Rechtsform, Branche, Umsatzvolumen, Mitarbeiterzahl)
Betriebsdokumentation (Aufbau- und Ablaufbeschreibung, Beschreibung der Unternehmensgrenzen und der Entstehung von Grundaufzeichnungen, Beschreibung der implementierten Kontrollen = ISK)
Anwenderdokumentation (Handhabung, Handbuch bezüglich eingesetzter Datenverarbeitungssysteme)
technische Systemdokumentation (bezüglich eingesetzter Datenverarbeitungssysteme, Schnittstellenbeschreibung)
Organisations-Struktur des Unternehmens aufnehmen zur Feststellung der Barrieren, wo / an wie vielen Stellen entstehen Grundaufzeichnungen und wie werden diese für die Buchhaltung weiterverarbeitet; wer ist für die Kontrolle der Richtigkeit verantwortlich, wie sind die Kontrollen im Unternehmen installiert
Vorhandene Dokumentationen verwenden
Verfahrensdokumentation ist anzupassen, wenn sich Verfahren ändern. Das bedeutet, dass die Verfahrensdokumentation nicht einmalig zu erstellen ist, sondern sich mit den Änderungen im Unternehmen ändert und angepasst werden muss (lebender Prozess).
Datenverarbeitungssysteme sind wesentlicher Anknüpfungspunkt
Vorgelagerte Systeme => Entstehung von Grundaufzeichnungen => haben zumeist Schnittstellen zum Nebenbuch oder direkt zum Hauptbuch
- Kassen
- Warenwirtschaft, Faktura, Rechnungsausgangsbuch, Kundenverwaltung
- Materialwirtschaft mit Inventur, Rechnungseingangsbuch, Lieferantenverwaltung
- Zeiterfassung für Lohn oder Faktura, Mitarbeiterverwaltung
- Terminverwaltung, Auftragsverwaltung
- Fahrtenbuch, Taxameter, weitere branchenspezifische Vorgaben
———————————————————————————————————–
Bis hier beim Mandanten organisiert
———————————————————————————————————–
Ab hier oft beim Steuerberater organisiert
———————————————————————————————————–
Nebenbücher => haben zumeist Schnittstellen zum Hauptbuch
- Lohnabrechnung
- Anlagenbuchhaltung
- Kostenrechnung
- Offene-Posten
Hauptbuch = Finanzbuchhaltung mit Journal- und Kontenfunktion, Basis für die handels- und steuerliche Gewinnermittlung
„Keine Buchung ohne Beleg“ oder „Keine Buchung ohne elektronischen Datensatz“
Beleg- | Datensatz-Arten
- Papierbeleg
- Digitalisierter (Papier-) Beleg
- Originär digitaler Beleg bzw. elektronischer Datensatz
Der Mandant muss die Entscheidung treffen, welche der drei Belegarten die Funktion der Grundaufzeichnung übernehmen soll und nur dessen Verarbeitung muss dokumentiert werden.
Umfang aufbewahrungspflichtiger Unterlagen
- Registrierkassenstreifen, Kassenzettel, Bons (wenn nicht elektronische Kassenführung), Kassenaufnahme = Zählprotokolle
- Ausgangsrechnungen, Kundendaten, Schriftverkehr mit Kunden (Handels- bzw. Geschäftsbriefe ausgehend)
- Eingangsrechnungen, Lieferantendaten, Schriftverkehr mit Lieferanten (Handels- bzw. Geschäftsbriefe eingehend)
- Inventur => Ablauforganisation, Zählprotokolle und Bewertungen
- Ausfuhr- und Einfuhrpapiere
- Anstellungsverträge, Gehaltsabrechnungen einschließlich Zeiterfassungen
- Speise- und Getränkekarten einschließlich der jeweiligen Änderungen
- Bedienungsanleitungen
- Programmbeschreibungen
- Arbeitshilfen
- E-Mails mit steuerlich relevanten Informationen wie Bestellungen, Auftragsbestätigungen, Schriftverkehr, elektronischen Rechnungen (da der Eingang in elektronischer Form erfolgt ist, ist auch die Aufbewahrung in elektronischer Form vorzunehmen = Mailstore)
Aufbewahrungsfrist für aufbewahrungspflichtige Unterlagen
Grundsätzlich 10 Jahre
Ausnahme Schriftverkehr mit Kunden und Lieferanten, hier gilt 6 Jahre
Maschinelle Auswertbarkeit
Elektronische Datenverarbeitungssysteme müssen maschinell auswertbar sein, das bedeutet, es müssen Schnittstellen vorhanden sein, welche die Daten in elektronischer Form an den Betriebsprüfer ausgeben können