Postzustellung: Ist die Dreitagesfiktion auch anzuwenden, wenn keine Zustellung stattfand?
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Kennen Sie die Dreitagesfiktion? Dies ist ein verfahrensrechtliches Konstrukt der Finanzverwaltung, wonach ein Schreiben am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als Ihnen zugegangen gilt. Das bedeutet, dass die Finanzverwaltung davon ausgeht, dass Sie Ihren Brief nach drei Tagen in Händen halten. Und ab dann beginnen die relevanten Fristen zu laufen. Sollte es also einmal mehr als drei Tage dauern und man die Fristen nicht einhalten können, dann ist es gut, wenn man dem Finanzamt nachweisen kann, dass die Zustellung erst später erfolgte.
In einem Fall vor dem Finanzgericht Münster (FG) wurde der Kläger zur Einkommensteuer für das Jahr 2020 veranlagt. Bei der Veranlagung wurde ein Teil der Werbungskosten aus nichtselbständiger Tätigkeit vom Finanzamt nicht berücksichtigt. Der Kläger legte hiergegen Einspruch ein. Das Finanzamt sandte die abschlägige Einspruchsentscheidung vom 28.01.2022 (Freitag) als einfachen Brief an den Prozessbevollmächtigten des Klägers. Dieser erhob gegen die Einspruchsentscheidung Klage, welche am 03.03.2022 beim Gericht einging. Die Einspruchsentscheidung sei erst am 03.02.2022 (Donnerstag) zugestellt worden. Der Postdienstleister gab an, dass an Samstagen an der Kanzleianschrift des Prozessbevollmächtigten keine Post zugestellt wird.
Die Klage vor dem FG war unzulässig. Sie wurde eindeutig zu spät erhoben. Nach der gesetzlichen Bekanntgabefiktion sei die Einspruchsentscheidung bereits am 31.01.2022 (Montag) bekanntgegeben worden und die Frist habe zu laufen begonnen. Nach Ansicht des Senats kann davon ausgegangen werden, dass die Einspruchsentscheidung am 28.01.2022 zur Post aufgegeben wurde. Dies gehe aus dem dargelegten Organisationsablauf des Finanzamts hervor. Der vom Kläger angegebene abweichende Eingangsvermerk begründe keine berechtigten Zweifel an der gesetzlichen Bekanntgabefiktion. Es sei nicht bekannt, durch welchen Kanzleimitarbeiter der Stempel aufgebracht worden sei. Auch die vom Kläger behauptete generelle Unzuverlässigkeit des Postdienstleisters war nach Ansicht des Gerichts nicht gegeben. Dieser wies eine Zustellquote von 95,5 % für den Zeitraum zwischen dem Einlieferungstag und dem zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag auf. Letztlich wurde die Dreitagesfiktion in diesem Fall nicht entkräftet.
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(aus: Ausgabe 09/2023)