Einzelfallprinzip statt pauschaler Sanktion: EuGH nimmt die Folgen von Verstößen ins Visier
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Wie weit dürfen Steuerbehörden bei formalen Verstößen gehen? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einer aktuellen Entscheidung wichtige Maßstäbe für den Umgang mit Pflichtverletzungen im Mehrwertsteuerrecht gesetzt. Eine automatische Streichung aus dem Mehrwertsteuerregister allein aufgrund formaler Versäumnisse verstößt demnach gegen die unionsrechtlichen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit.
Im Besprechungsfall wurde ein bulgarisches Bauunternehmen nach einer Steuerprüfung im Jahr 2022 von der nationalen Steuerbehörde aus dem Mehrwertsteuerregister gestrichen. Grundlage waren mehrere Verstöße gegen steuerliche Pflichten. So hatte das Unternehmen im Zeitraum von 2013 bis 2018 wiederholt erklärte und geschuldete Mehrwertsteuer nicht gezahlt. Zum Teil resultierten diese Verstöße aus Streitigkeiten mit Geschäftspartnern, was das Unternehmen auch in einem Berufungsverfahren vorbrachte. Die Steuerbehörde hielt aber an der Streichung fest.
Das zuständige bulgarische Verwaltungsgericht legte daraufhin dem EuGH Fragen zur Auslegung der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie (MwStSystRL) vor – insbesondere dahin gehend, ob nationale Regelungen, die eine Streichung ohne Prüfung der Umstände des Einzelfalls erlauben, mit dem Unionsrecht vereinbar sind.
Der EuGH stellte klar, dass Mitgliedstaaten zwar befugt sind, Maßnahmen zur Sicherstellung der Steuererhebung und Steuerbetrugsbekämpfung zu ergreifen. Diese Maßnahmen müssen jedoch mit den grundlegenden Prinzipien des EU-Rechts in Einklang stehen:
- Verhältnismäßigkeit: Eine Streichung aus dem Mehrwertsteuerregister darf nicht automatisch erfolgen. Erforderlich ist eine Einzelfallprüfung, die die Art und Schwere des Verstoßes sowie mögliche mildere Maßnahmen berücksichtigt.
- Rechtssicherheit: Steuerpflichtige müssen die Konsequenzen ihres Verhaltens eindeutig erkennen können. Sanktionen, die ohne umfassende Prüfung des Sachverhalts zur Beendigung der Registrierung führen, sind mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht vereinbar.
- Unionsrechtskonformität der nationalen Regelungen: Nationale Vorschriften, die formale Verstöße ohne individuelle Prüfung sanktionieren, verstoßen gegen die MwStSystRL.
Hinweis: Die Entscheidung stärkt die Rechte von Unternehmern gegen unverhältnismäßige Maßnahmen nationaler Steuerverwaltungen. Künftig müssen Behörden im Binnenmarkt Pflichtverletzungen individuell prüfen. Pauschale Sanktionen sind unzulässig.
Information für: | Unternehmer |
zum Thema: | Umsatzsteuer |
(aus: Ausgabe 08/2025)
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